Europas modernster Textilveredler: Im Aargau und fest in Frauenhand | Die Wirtschaftsfrau
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Das Unternehme ist in Frauenhand: v.l.. Kathrin Bohnenblust (COO), Brigitta Mettler (CEO), Ivana Martic (CFO).

Europas modernster Textilveredler: Im Aargau und fest in Frauenhand

Vor drei Jahren wurde die Bethge AG in Zofingen bei den verheerenden Überschwemmungen stark beschädigt. Doch die Textilunternehmer gaben nicht auf: Für rund 20 Millionen Franken wurde alles wieder aufgebaut. Heute wird die Firma von drei Frauen geleitet und hat den modernsten Maschinenpark in ganz Europa.

Niemand hat die Katastrophe kommen sehen. Am Samstag, dem 8. Juli 2017, hagelte es erst, dann goss es in Strömen und innert Minuten trat der Zofinger Stadtbach über die Ufer, wurde zum reissenden Strom. Normalerweise fliesst er im Kanal unter der Bethge AG hindurch, an diesem Tag aber stand das Wasser fast zwei Meter hoch im Textilveredelungsunternehmen.

Heute sagt Bethge-Geschäftsführerin Brigitta Mettler: «Letztlich war es ein Glück, dass das an einem Samstag passiert ist. Denn ich glaube nicht, dass es alle Mitarbeiter rechtzeitig aus dem Gebäude heraus geschafft hätten.» Die 46-jährige Ostschweizerin war damals noch gar nicht im Unternehmen. Sie hatte sich von der gelernten Damenschneiderin längst zur selbstständigen Expertin für Produktionsoptimierung gemausert, beriet Firmen in unterschiedlichen Branchen wie Befestigungstechnik oder Etikettendruck.

20 Millionen Franken für den Wiederaufbau nach Hochwasser

Es brauchte eine ordentliche Portion unternehmerischen Mut, dass Mettler im September 2019 zu ihren beruflichen Wurzeln, der Textilindustrie, zurückkehren konnte. Denn die Fluten hatten zwei Jahre zuvor rund 90 Prozent des Maschinenparks der Bethge AG zerstört. Eigentlich der Todesstoss für ein Unternehmen in einer serbelnden Branche. Wenn da nicht die Besitzerfamilie Fischer wäre und sich die Versicherungen bereiterklärt hätten, einen Teil des Wiederaufbaus zu finanzieren.

Man wollte die Arbeitsplätze erhalten (heute sind es 30 Festangestellte) und so flossen über 20 Millionen Franken in den Wiederaufbau des Unternehmens. Heute lobt sich Bethge, in der Branche über den modernsten Maschinenpark Europas zur Veredelung von Stoffen zu verfügen. Mettler sagt: «Im Vergleich mit der Konkurrenz sind wir sehr schnell und flexibel. Wir sind stolz darauf, dass wir als einzige Gewebe auf allen Maschinen in den Rohbreiten von 50 bis 340 cm veredeln können. Der moderne Maschinenpark ermöglicht uns nicht nur eine hohe Qualität, sondern auch eine einzigartige Präzision.»

Die drei Frauen an der Spitze der Bethge AG: Betriebsleiterin Kathrin Bohnenblust, Geschäftsleiterin Brigitta Mettler und Finanzchefin Ivana Martic (von links).

Die drei Frauen an der Spitze der Bethge AG: Betriebsleiterin Kathrin Bohnenblust, Geschäftsleiterin Brigitta Mettler und Finanzchefin Ivana Martic (von links).

© Bilder: Hanspeter Bärtschi

Und anders als bei der Konkurrenz sitzen bei Bethge drei Frauen am Ruder. Neben Mettler sind das Betriebsleiterin Kathrin Bohnenblust und Finanzchefin Ivana Martic. «Es ist absoluter Zufall, dass es so gekommen ist. Aber jetzt sind wir die erste Textilfirma mit einer rein weiblichen Geschäftsleitung», sagt Mettler. Zugleich ist es speziell für die Geschäftsführerin, da sie es bis dahin gewohnt war, meist die einzige Frau in sonst reinen Männergremien zu sein.

Der Exportanteil stieg in wenigen Monaten von 5 auf 20 Prozent

So modern der Maschinenpark, so aussergewöhnlich die Geschäftsführung – Bethge hat eine fast 200-jährige Tradition. 1834 begann das Familiengeschäft mit der Textilveredelung. Von oben betrachtet wirkt das Firmengelände wie ein Patchworkpullover, ein über die Jahre gewachsenes Unternehmen.

Im Innern überrascht die Kunden zuerst die Sauberkeit, die sei aussergewöhnlich für die Branche, so Mettler. Und dann natürlich die Maschinen. «Wir machen hier alle Prozesse, welche die Stoffe schöner und funktioneller machen.» Glänzende Stoffe, weiche, harte, matte, wasserabweisende, nicht brennbare – einfach alles.

Das hat seinen Preis. Aber die Qualität überzeugt über die Grenzen hinaus. Davon war man vor Mettlers Ankunft schon überzeugt, trotzdem exportierte man kaum. Mettler hat es innert weniger Monate geschafft, die Exporte von circa 5 auf rund 20 Prozent zu erhöhen. Vor allem nach Österreich und Deutschland, aber auch nach Italien werden die in Zofingen veredelten Stoffe geliefert. Von dort gehen einige bis nach Afrika, wo die edlen Tücher die feine Gesellschaft einhüllen. Hauptaufgabe Mettlers ist es, mit ihren rund 30 sehr guten Mitarbeitern das Ruder herumzureissen. 2020 fing blendend an. «Wir konnten neue Kunden gewinnen, die Auftragseingänge waren über Budget.

Aufträge für Schutzmasken – und trotzdem gab es Kurzarbeit

Und dann kam Corona», sagt Mettler. Plötzlich brach alles zusammen. Die von Bethge veredelten Stoffe werden oft für Restaurants, Hotels, Spitäler und Schulen gefertigt. Doch diese Branchen standen still. Die Bethge AG konnte in dieser Zeit zwar zwei Aufträge für Schweizer Maskenhersteller gewinnen, indem man mit ihnen neue Stoffeigenschaften entwickelte. Trotzdem ging es nicht ohne Kurzarbeit. «Ich hoffe, dass sich die Situation bis Herbst einigermassen normalisiert. Und irgendwann wird die Firma wieder richtig aufblühen», ist Mettler überzeugt.

Zur Homepage Textilveredlung in Zofingen

Kategorie

News

Publiziert am

25.06.2020

Hashtag

#diewirtschaftsfrau #familienunternehmen

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