Dr. Anja Hochberg: Frauen in der Finanzbranche | Die Wirtschaftsfrau
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Männersicht: Das Patriarchat
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Dr. Anja Hochberg, Global Head Investment Solutions & CIO Communication bei der Credit Suisse AG.

Frauen in der Finanzbranche

Grüezi Frau Hochberg. Sie sind momentan als globale Leiterin Anlagelösungen bei der Credit Suisse AG tätig. Wie kam es dazu?

Ich durfte mir in den fast 18 Jahren bei der Credit Suisse AG einen prall gefüllten Rucksack an relevanten Qualifikationen und Erfahrungen erarbeiten – zuerst als Leiterin der volkswirtschaftlichen Abteilung, später in mehr umsetzungsorientierten Führungsrollen im
Asset Management als Leiterin Anlagestrategie, als CIO für unsere Schweizer und Europäischen Kunden und nun auch in der Rolle als Globale Leiterin unserer Anlagelösungen.

Was sind – kurz zusammengefasst für unsere Leserinnen und Leser – die wichtigsten Tätigkeiten, die in Ihren Aufgabenbereich fallen?

Als Leiterin des Bereichs Globale Anlagelösungen kümmere ich mich mit meinen Teams darum, dass unsere Kunden mit konkreten Anlagelösungen vom Know-How unserer Analysten profitieren können. Konkret stellen wir sicher, dass unsere Kundenberater und Kundenberaterinnen mit und für unsere Kunden eine angepasste Anlagestrategie entwicklen und dies auch mit konkreten Produktlösungen umsetzen können. Sprich neben der sogenannten Asset Allocation stellen wir qualitätsgeprüfte Inhouse- und Drittparteifonds für alle Anlageklassen zur Verfügung, empfehlen aber auch Handelsstrategien, Absicherungen oder auch strukturierte Produkte.

Sie haben es weit gebracht. Welchen Charaktereigenschaften schreiben Sie Ihren beruflichen Erfolg zu?

Das müssten Sie vielleicht eher meine Vorgesetzten oder Mitarbeitenden fragen.

Ich halte mich für eine sehr wissbegierige und auch neugierige Person, was Menschen, Themen und Lösungen betrifft.

Ich habe den notwendigen langen Atem und Frustrationstoleranz, falls Umsetzungen etwas länger dauern, gleichzeitig aber auch die nötige Ungeduld, um Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Und ich habe ein verständnisvolles privates Umfeld.

Welche Fähigkeiten müssen die Mitarbeitenden Ihres Teams Ihrer Ansicht nach mitbringen, um ihre Arbeit erfolgreich zu erledigen?

Es liegt vielleicht nahe, ähnliche Eigenschaften zu suchen. Ich suche allerdings insbesondere auch Mitarbeitende, die bereit sind, den Status Quo und auch mich konstruktiv herauszufordern, weil wir nur so die Stürme der Zeit bestehen werden. Neugier und das permanente Streben nach der besten Lösung sind aber unabdingbar.

Beobachten Sie einen Unterschied zwischen den Kompetenzen und Fähigkeiten von weiblichen Teammitgliedern und denjenigen, die männliche Vertreter mitbringen – insbesondere auch bezogen auf die Finanzbranche?

Ja durchaus. In der fachlichen Qualifikation stelle ich zwar kaum Unterschiede fest und würde es sehr begrüssen, wenn wir mehr Bewerbungen von Frauen erhalten würden. In der Fähigkeit, zuzuhören und integrativ zu arbeiten, habe ich sehr positive Erfahrungen mit weiblichen Teammitgliedern gemacht. Als Mitglied im Globalen Investment Committee kann ich darüber hinaus auch aus erster Hand erfahren, wie wichtig eine Diskussionskultur ist, die unterschiedliche, diverse Perspektiven vereint.

Kann man sagen, dass die Tätigkeit in der Finanzbranche anspruchsvoller ist als in anderen Bereichen? Falls ja, inwiefern?

Die Finanzbranche teilt viele Herausforderungen, die andere Branchen auch haben.

Dazu zählen zum Beispiel sich stetig verändernde Kundenanforderungen, die Digitalisierung oder steigende Regulierungsintensität. Allerdings ist die
Branche durchaus zyklisch in ihrer Ertragsbasis und damit ist ein diversifizierter Mix der Aktivitäten natürlich sehr wichtig.

Finanzanalysten stehen zudem vor der Notwendigkeit, zum einen langfristige Trends zu erkennen, aber auch auf kurzfristige Marktschwankungen zu reagieren. Für mich eine Aufgabe, die auch nach fast 20 Jahren nichts an Faszination verloren hat, insbesondere weil es darum geht, Kunden bei der Erreichung ihrer Anlageziele zu unterstützen.

Auf welche Bereiche wird sich die Credit Suisse AG in den nächsten Jahren stark fokussieren müssen, um den Anschluss an die rasante Entwicklung der Finanzmärkte nicht zu verlieren?

Hier steht ganz klar die Digitalisierung im Vordergrund, sowohl zur Effizienzverbesserung unserer internen Prozesse als auch im Kontakt mit unseren Kunden. Wir müssen weiterhin so agil auf die Veränderung der Kundenbedürfnissse eingehen, die natürlich auch stark von
der aktuellen Marktsituation geprägt sind. Darauf müssen wir schnell reagieren können. Auch das regulatorische Umfeld bietet nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen, das Lösungsangebot für unsere Kunden zu optimieren. Ich bin ein grosser Fan unserer Vermögensverwaltung, kann man doch damit schnell, effizient und compliant Investmentstrategien anpassen.

Wie beschreiben Sie die Unternehmenskultur, die von der Credit Suisse AG in Bezug auf die Mitarbeitenden verfolgt wird?

Um langfristig erfolgreich zu sein ist nicht nur wichtig, „was“ wir erreichen wollen, sondern auch „wie“ wir zu diesem Ziel gelangen. Deshalb stehen Grundsätze wie Kundenfokus, Verantwortung, partnerschaftliches Verhalten aber auch Transparenz ganz weit oben auf unserer Agenda. Darüber hinaus wird unsere Unternehmenskultur aber natürlich auch stark durch die vielfältigen Erfahrungen, Ideen und die hohe Leistungsbereitschaft unserer Mitarbeitenden geprägt. In meinem Bereich achte ich sehr darauf, ein auf Zusammenarbeit ausgelegtes Arbeitsumfeld zu bieten, bei dem jede und jeder einzelne etwas bewegen kann und dafür auch gewertschätzt wird.

Inwiefern fördert die Credit Suisse AG durch die interne Unternehmenskultur die Erhöhung der Geschlechtervielfalt im Unternehmen allgemein sowie auch im Top-Kader?

Wir haben als Bank ganz klar die Absicht, die Genderbalance weiter zu verbessern. In den letzten Jahren haben wir viel unternommen, um dieses Thema voranzutreiben, dazu zählen eine Reihe von Initiativen zur weiteren erfolgreichen Förderung von Frauen im Unternehmen. Beispiele sind unter anderem ein Programm für den Wiedereinstieg in den Beruf (Real Return), Karrierenetzwerke und Mentoring Programme. Zudem sind wir Gründungsmitglied bei „Advance – Woman in Swiss Business“ und arbeiten damit sehr aktiv darauf hin, bis 2020 im höheren Kader einen Frauenanteil von 20% zu erreichen.

Teilzeitarbeit kommt in der Finanzbranche heutzutage immer noch nicht allzu häufig vor – vor allem als Mann hat man einen schweren Stand, wenn man das Pensum reduzieren möchte. Wie sieht das bei der Credit Suisse AG aus?

Wir machen keinen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Mitarbeitenden, die ihr Pensum reduzieren möchten.

Beide haben gleichermassen die Chance, ihre Karriere mit einem Teilzeitpensum voranzutreiben. Das gehört zu unserem Verständnis eines modernen und fortschrittlichen Arbeitgebers.

Deshalb kommen wir wo immer möglich den Bedürfnissen nach flexibleren Arbeitsformen nach – sei es beim Thema Teilzeitarbeit, Job Sharing, Home Office oder der internen Mobilität.

2016 wurden alle Arbeitsplätze der Credit Suisse AG in der Schweiz mit dem Label „Friendly Work Space“ der Gesundheitsförderung Schweiz versehen. Unter anderem trägt der von der Credit Suisse AG angebotene Vaterschaftsurlaub zu der Auszeichnung bei. Wie ist dieser ausgestaltet?

Bei der Credit Suisse haben frische Väter Anrecht auf fünf bezahlte Arbeitstage.

Falls darüber hinaus eine längere Auszeit gewünscht ist, geben wir Jungvätern die Möglichkeit, unbezahlten Urlaub zu beziehen. Und wie oben erwähnt, sind wir wo immer möglich auch offen, eine Teilzeitbeschäftigung zu ermöglichen – auch wenn diese zeitlich beschränkt ist.

Die Geschäftsleitung der Credit Suisse AG brilliert mit Geschäftsmitgliedern verschiedenster Nationen. Spiegelt sich diese Tatsache auch in der Kultur des Unternehmens wieder?

In einer grossen und internationalen Firma wie der Credit Suisse AG ist Vielfalt sozusagen ein natürliches Phänomen und Privileg, das wir aber aktiv fördern. Momentan arbeiten in der Schweiz bei der Credit Suisse AG Menschen mit 160 verschiedenen Nationalitäten, sprechen gemeinsam 101 verschiedene Sprachen, decken diverse Religionen ab und umfassen vier Generationen.

Selbstverständlich hat dies einen ganz entscheidenden Einfluss auf unsere Unternehmenskultur.

Wir sind davon überzeugt, dass Diversität die Leistungskraft eines Unternehmens stärkt. Ich habe mich auch persönlich als Co-Chair unseres Multikulturellen Forums – unseres Credit Suisse Mitarbeiternetzwerks – dafür engagiert.

Schaut man sich die Geschäftsleitung der Credit Suisse AG an, fällt auf, dass diese mit einem Verhältnis von 1:11 hauptsächlich aus Männern besteht. Im Verwaltungsrat sitzen drei Frauen und zehn Männer. Wie sieht das allgemein im oberen und mittleren Kader aus?

Mit einem Anteil von rund 20% in Kaderpositionen stehen wir im Vergleich zu anderen Unternehmen vergleichsweise gut da. Gleichwohl gibt es noch viel Potenzial. Der Trend über die letzten Jahre hinweg zeigt in die richtige Richtung, was ein ermutigendes Zeichen ist.

Können Sie zum Abschluss dieses Interviews eine kurze Prognose wagen, wie sich die Geschlechterverteilung im Management der Credit Suisse AG in den nächsten zehn bis 15 Jahren verändern wird?

Ganz klar nach oben! Wir haben eine Reihe von Initiativen und Massnahmen initiiert und die Sensibilität für das Thema ist da. Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten Jahren in dieser Hinsicht einen grossen Schritt nach vorne machen werden.

Rubrik

gefragt

Ausgabe

Kompetenz und Kultur

Dr. Anja Hochberg

Nationalität
Deutsche

Zivilstand
verheiratet

Beruf
Globale Leiterin Anlagelösungen

Webseite
credit-suisse.com

Dr. Anja Hochberg studierte in Berlin Wirtschaftsgeschichte, Volkswirtschaft und Rechtswis-senschaft. Frau Dr. Hochberg ist seit Januar 2001 für die Credit Suisse AG in leitenden Funktionen im Research und in der Vermögensverwaltung tätig. Seit Dezember 2015 verantwortet Frau Dr. Hochberg auf globaler Ebene den Bereich „Investment Solutions“, der sich der Umsetzung der Anlageideen in Kundenportfolios widmet. Davor war sie bei der Credit Suisse AG als Chief Investment Officer Schweiz tätig. Frau Hochberg setzt sich stark für Mitarbeiterförderung ein.

Gut zu wissen

Die Credit Suisse AG hat im Juni 2016 die „Women in Finance Charter“ unterzeichnet und sich damit dazu verpflichtet, den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen in ihren britischen Rechtseinheiten zu fördern. Das Ziel ist die Erreichung eines Frauenanteils von mindestens 35% bis 2020.

Gut zu wissen

Gemäss dem Arbeitgeber Banken Monitor 2017 liegt der Frauenanteil im Schweizer Bankensektor mit 38% immer noch unter dem Durchschnitt von 47%. Da sich in der jüngeren Altersgruppe eine überdurchschnittliche Vertretung der Frauen abzeichnet und die Banken auf Massnahmen zur Frauenförderung setzen, dürfte sich der Anteil zukünftig erhöhen.

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