«Frauenkarrieren haben häufig eine grössere beziehungsweise andere Sichtbarkeit» | Die Wirtschaftsfrau
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Charise Le ist als Chief Human Resources Officer (CHRO) beim Technologiekonzern Schneider Electric tätig. Quelle: Schneider Electric

«Frauenkarrieren haben häufig eine grössere beziehungsweise andere Sichtbarkeit»

Eine integrative Kultur ist die Basis für Diversität und Inklusion am Arbeitsplatz, sagt Charise Le, Chief Human Resources Officer (CHRO) von Schneider Electric. Im Gespräch mit der Wirtschaftsfrau spricht sie über zentrale Fragen hinsichtlich des digitalen Wandels und der Frauenförderung im Berufsleben.

Unsere Arbeit verändert sich rasch. Ein Trend, der sich schon seit Jahren abzeichnet, wurde durch die Pandemie der vergangenen zwei Jahre noch beschleunigt.

Seit April 2020 ist Charise Le Chief Human Resources Officer (CHRO) von Schneider Electric, einem multinationalen Unternehmen mit über 128‘000 Mitarbeitenden. Zuvor war sie 15 Jahre lang in verschiedenen, führenden HR-Positionen für das Unternehmen tätig und leitet seit 2015 den Bereich «HR Strategy & Global Service» des Konzerns. Sie vertritt die Meinung, dass Schneider Electric ein Vorreiter in Sachen Diversity und Inclusion ist. Wir sprechen mit ihr über die Rolle der Frau in der Arbeitswelt und die Chancen sowie Herausforderungen zukünftiger Arbeitsmodelle.

Die Wirtschaftsfrau: Sie sind eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Haben Sie sich jemals aufgrund Ihres Geschlechts benachteiligt gefühlt?

Charise Le: Ehrlich gesagt, nein. In meiner beruflichen Laufbahn hat man mir immer die gleichen Chancen geboten. Man hat mir zugehört und sich um meine besonderen Bedürfnisse gekümmert. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Ich bin in Shanghai, China, tätig. Das ist wahrscheinlich nicht der beste Ort, denn ich bin das einzige Mitglied des Exekutivausschusses, das hier arbeitet. Man hat mich ein paar Mal gebeten, nach Hongkong umzuziehen. Gleichzeitig werden meine Eltern älter, und sie möchten, dass ich näher bei ihnen wohne. Ich habe ein einzigartiges Bedürfnis, und ich bin froh, dass ich diese globale Aufgabe wahrnehmen und trotzdem in meinem Heimatland bleiben kann.

Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass ich es als Vorteil sehe, eine Frau zu sein. Ich habe mehr Möglichkeiten, mich als Talent zu zeigen. Frauenkarrieren haben häufig eine grössere bzw. andere Sichtbarkeit.

Im allgemeinen Durchschnitt sind 34 % der Mitarbeitenden von Schneider Electric Frauen. Wie erreichen Sie eine solche Zahl und was tun Sie, um Frauen zu fördern?

Alles beginnt mit einem Ziel. Für uns heisst das, dass wir bis 2025 ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis von 50/40/30 anstreben. Das bedeutet, dass 50 % aller Einstellungen, 40 % der Führungskräfte und 30 % der leitenden Angestellten Frauen sind. Die operative Geschäftsleitung von Schneider erreicht diesbezüglich einen Meilenstein. So werden sieben der 16 Mitglieder des Executive Boards, also 44 %, Frauen sein.

Wir haben diese Reise vor etwa zehn Jahren begonnen. Am Ende zählt jede Entscheidung. Jede Frau, die wir neu einstellen oder jede Frau, die wir in eine Führungsposition befördern, macht einen Unterschied.

Allem voran muss eine integrative Kultur geschaffen werden. Eine Massnahme, die wir ergriffen haben, war die Einführung unserer globalen Familienpolitik. Das bringt Flexibilität am Arbeitsplatz, um Frauen zu unterstützen und ihre besonderen Bedürfnisse zu artikulieren. Wir führen auch Schulungen für Frauen in Führungspositionen und zur Vermeidung von Vorurteilen durch.

Abgesehen von der Flexibilität, wie wird sich die Arbeit von morgen sonst noch verändern?

Ich sehe vier Trends. Zum einen ist die Arbeit hybrider geworden. Flexibilität ist eine Selbstverständlichkeit, die man unterstützen muss. Zum anderen spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Es geht nicht nur um die digitalen Tools, die man nutzen kann. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen können eine Menge Prozesse automatisieren. Dies bedeutet, dass Unternehmen sich darauf konzentrieren müssen, wie sie ihre Mitarbeitenden weiterbilden und umschulen.

Als dritten Trend sehe ich die Vielfalt und Einbeziehung. Dabei geht es nicht nur um das Geschlecht. Fragen wie «Wie kann man eine generationsübergreifende Belegschaft aufbauen und alle Generationen unterstützen?» werden immer relevanter. Und dann zu guter Letzt: Die Welt wird mehr und mehr lokal und regional. Wie kann ein globales Unternehmen weiterhin global bleiben und gleichzeitig mit lokaler Politik und weiteren Gegebenheiten umgehen? Ein Thema, das uns bei Schneider stark umtreibt. In diesem Sinne versuchen wir das lokalste Unternehmen aller globalen Konzerne zu sein.

All diese Punkte müssen durch eine Kultur des Vertrauens, der Befähigung und der Verantwortlichkeit ermöglicht werden.

Der Kultur liegt wiederum eine entsprechende Unternehmensführung zugrunde. Hier setzen wir mit der voranschreitenden Digitalisierung auf ein «High Touch, High Tech»-Modell. Auch wenn heute vieles digital stattfindet, sollten wir die Bedeutung der menschlichen Interaktion nicht unterschätzen.

Vollständiges «Remote Working» würde also nicht funktionieren?

Wir haben während der Pandemie gesehen, dass es funktionieren kann. Aber wir sollten vorsichtig sein und nicht von einem Extrem ins andere fallen. Wir haben die Mitarbeitenden nach ihren Präferenzen für die künftige Arbeitsweise befragt. Insgesamt sagten 83 %, dass sie ein hybrides Arbeitsmodell mit einer Mischung aus «Remote Working» und Arbeit im Büro bevorzugen. Wir konnten feststellen, dass diese Präferenz je nach Land, Geschlecht, Art der Tätigkeit und Alter variiert. So sehen wir zum Beispiel, dass chinesische Mitarbeitende die meiste Zeit im Büro arbeiten. Wir lernen ständig dazu und passen uns an, um den richtigen Weg zu finden, damit umzugehen.

Besteht bei der zunehmenden Individualisierung der Arbeit die Gefahr, dass gerade bei der jüngeren Generation eine gewisse Identifikation mit dem Unternehmen verloren geht?

Das ist definitiv ein Risiko. Aber die verschiedenen Generationen haben einen sehr unterschiedlichen Ansatz. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Ich hatte neulich eine Teambesprechung, und in dem Raum diskutierten wir über das Thema «Hybrid Work» und die Rückkehr ins Büro nach pandemiebedingtem Homeoffice. Einer der Jüngeren im Raum sagte, dass er kein Problem damit habe, sich rein digital dazugehörig zu fühlen.

Der andere Umgang mit «Remote Working» ist aber nur einer der generationsbedingten Unterschiede. Berufseinsteiger suchen vermehrt nach einem Sinn und Zweck ihrer Arbeit. Ausserdem sind Nachhaltigkeit und die Möglichkeit zu lernen extrem wichtig.

Dies hat sicherlich auch Auswirkungen auf den Rekrutierungsprozess.

Der Beruf des Recruiters hat sich im Laufe der Jahre stark verändert. Es ist definitiv ein arbeitnehmerorientierter Markt. Das heisst, dass Unternehmen heute stärker ihre Attraktivität zum Ausdruck bringen müssen.

Besonders talentierte Berufseinsteiger haben heute viele Optionen. Der Fachkräftemangel bringt noch mehr Wettbewerb auf den Markt. Berufseinsteiger sind gewillt, das Unternehmen nach kurzer Zeit wieder zu verlassen, um verschiedene Erfahrungen zu machen. Wir haben es hier mit einer ganz anderen Generation und anderen Bedürfnissen zu tun.

Was tun Sie bei Schneider Electric, um auf diese Bedürfnisse einzugehen?

Eine Sache, die wir eingeführt haben, ist eine «Open Talent Market Platform». Schneider ist ein grosses Unternehmen mit vielen Möglichkeiten, aber wie finden die Talente diese? Wenn sie dazu keinen Zugang haben und ein gutes Angebot auf dem externen Markt erhalten, verlassen sie das Unternehmen. Deshalb haben wir diese KI-gestützte digitale Plattform eingeführt. Als Arbeitnehmer erstellen Sie ein Profil mit Ihren Fähigkeiten und Ihrem Karriereinteresse, und das System schlägt Ihnen dann Jobs und Projekte vor, die zu Ihnen passen könnten. Anstatt wochenlang zu suchen, dauert es nur ein paar Sekunden.

Wir haben diese Plattform bereits weltweit im Einsatz, und die Reaktionen sind sehr positiv. Das Tool befindet sich noch in der Anfangsphase, aber ich bin fest davon überzeugt, dass diese Art von Innovationen in der Organisation getan werden müssen, um die Bedürfnisse der Mitarbeitenden abzudecken und sie nicht an die Konkurrenz zu verlieren.

Kategorie

News

Publiziert am

21.04.2022

Hashtag

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