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Miriam Stark erklärt: Was bedeutet es, zyklusorientiert zu leben?

Der Menstruationszyklus und seine «Superkräfte»: Das ist der Kern von Miriam Starks Arbeit. Die Wirtschaftspsychologin und Coachin spricht mit uns über die vier Zyklusphasen und wie wir diese für uns nutzen können.

Plötzlich war alles zu viel. Auf das leistungsorientierte Leben und zwei Fehlgeburten reagierte Miriam Starks Körper mit einer Autoimmunerkrankung. Antworten fand sie in ihrem Menstruationszyklus.

Heute unterstützt die Wirtschaftspsychologin und Coachin mit ihrem Unternehmen «Tacheles Beratung» unter anderem andere Frauen dabei, ihren Zyklus besser zu verstehen und ihr Leben bedürfnisorientierter zu gestalten.

Zyklusorientiert Leben und Arbeiten: Das ist sicherlich ein Riesenthema. Kannst du das trotzdem für uns zusammenfassen?

Wie der Name schon besagt, geht es dabei um den Menstruationszyklus von Menschen mit Gebärmutter. Dieser Zyklus lässt sich in vier Phasen aufteilen. Die dabei involvierten Hormone bilden die physische Basis dafür, was wir emotional erleben. In den jeweiligen Phasen nehmen wir unterschiedliche Dinge oder Themen wahr, die zu Tage treten.

In der heutigen Gesellschaft rückt das Wissen über den weiblichen Körper in Vergessenheit. Das hat vor allem damit zu tun, dass die historische Entwicklung stark von maskulin-monotheistischen Kulturen geprägt ist. Es ist an der Zeit, dass wir wieder auf dieses Wissen zurückgreifen und den weiblichen Ausgleich in der Gesamtgesellschaft schaffen.

Ich systematisiere den Zyklus dabei in physische Komponenten, Anteile oder «Superkräfte» sowie psychologische Komponenten. Die erste Phase beginnt direkt nach der Menstruation. Die Hormone sind hier im Aufschwung, das Östradiol steigt und der Organismus befindet sich in einem Neustart-Modus. In uns wird dadurch der jugendliche archetypische Anteil aktiviert. In dieser Zeit können wir besonders gut neue Dinge lernen und sind spielerisch unterwegs. Wenn wir dazu aber keinen Zugang haben, lohnt sich ein Blick auf die psychologische Ebene. Möglicherweise gibt es da Themen aus der Kindheit und Jugend, die gesehen werden möchten.

Wenn der Zyklus dann weiter voranschreitet, reifen die Eizellen weiter und das Östradiol erreicht schon bald seinen Höhepunkt, was den Eisprung auslöst. Der Eisprung aktiviert in uns den mütterlichen archetypischen Anteil. Mutter Natur möchte natürlich, dass alle ihre Mühen auch erfolgreich sind, ergo dass die sorgfältig gereifte Eizelle auch befruchtet wird. So fühlen wir uns in dieser Zeit sexy, liebe- und genussvoll. Diese Energie können wir anderen oder aber auch gerne uns selbst zufliessen lassen.

Wenn hier regelmässig physische oder psychische Symptome auftreten, darf man sich auf psychologischer Ebene das Thema Mutter und Mütterlichkeit anschauen. Das muss nicht zwingend ein Thema mit der eigenen Mutter sein, sondern kann auch mit dem Mutterwerden oder dem Muttersein zusammenhängen. Ein schmerzhaft empfundener Eisprung kann zum Beispiel auf das Kinderwunschthema hindeuten. Es geht darum, hinzuhören, was mein Körper mir sagen und was noch gesehen werden möchte.

So, diese beiden archetypischen Anteile von Leistung, Liebe und Genuss kennen wir. Jetzt kommen aber zwei Anteile, die absolut gleichberechtigt existieren, gesellschaftlich aber leider noch nicht so viel Anerkennung gefunden haben.

Und die wären?

Nach dem Eisprung sinkt das Östradiol wieder, stattdessen rückt jetzt das Progesteron auf den Plan. In den ersten zehn Tagen geht der Körper noch davon aus, dass eine Schwangerschaft stattfinden wird. Wir verspüren vermehrt das Bedürfnis, uns zurückzuziehen und in uns zu kehren. Diese Zeit ist schön und wichtig, um uns mit uns selbst zu verbinden und in uns hineinzuhorchen. In dieser Zeit des «Nestbaus» können wir sehr gut neue Strukturen schaffen sowie neue Systeme und Schemata entwickeln.

Nach zehn Tagen weiss der Körper dann, ob eine Eizelle befruchtet wurde oder nicht. Danach sinkt auch das Progesteron und der Körper bereitet sich auf die «Renovierung» der Gebärmutterschleimhaut vor. Die kreative und intuitive Schaffenskraft, die der Körper eigentlich schon bereitstellt, um ein Kind wachsen zu lassen, haben wir jetzt trotz fehlender Befruchtung in uns. In Kombination mit dem «In-Sich-Kehren» erwecken wir unserem magischen archetypischen Anteil.

Viele Frauen haben dazu keinen Zugang und leiden stattdessen an PMS oder Ähnlichem. Auf der psychologischen Ebene lädt uns das dazu ein, das Thema Rückzug aus der mütterlichen Verfassung nochmals genauer anzuschauen. Nur schon gesellschaftlich ist es nicht angesehen, als Frau eben mal nicht mütterlich oder fürsorglich zu sein. Insbesondere wenn man es zehn Tage davor noch war.

Wenn wir zudem Blockaden verspüren und unsere Schaffenskraft nicht rauslassen können, müssen wir uns vielleicht das Thema Exzentrik nochmals anschauen.

Die noch übrig gebliebene Phase 4 wäre demnach dann die Menstruation?

Genau. Die Phase 4 beginnt mit dem Einsetzen der Blutung. In diesem Moment befinden wir uns auf einem hormonellen Tiefstand. Dieser Tiefstand macht uns physisch weniger leistungsfähig, dafür aber mental weise. Der archetypische Anteil der «alten» Frau* verfügt über Weisheit und die Fähigkeit des Loslassens.

Wenn wir uns hingegen nicht gut fühlen, beispielsweise unter Menstruationskrämpfen oder extrem starken Blutungen leiden, sollten wir uns die Themen Vergänglichkeit und Offenheit gegenüber höherer Erkenntnis genauer anschauen. So kann sich zum Beispiel der Tod eines geliebten Menschen, den wir noch nicht verarbeitete haben, physisch bemerkbar machen oder unser Mut, uns ins «magische» Sein weiter hineinzutrauen, limitiert sein.

Was ist denn mit Frauen, die keine Menstruation (mehr) haben? Also vielleicht schwanger oder in der Menopause sind?

Die vier Phasen durchleben wir auch ohne Monatsblutung. Sobald wir (in der Regel im Jugendalter) auf die Bahn der Erstblutung gesetzt werden, geht der archetypische Rhythmus in uns an.

Der blutende Zyklus ist eine Übung für Jahre später, um sich auch ohne Menstruation mit den Anteilen zu verknüpfen.

Wie hast du selbst zu diesem Thema gefunden?

Ich habe ein sehr leistungsorientiertes Leben gelebt und bin durch die Weltgeschichte gehüpft. Ich hatte dann innerhalb von einem Jahr zwei Schwangerschaften, die sich nicht weiterentwickelt haben. Das hat mich so stark aus der Bahn geworfen, dass ich das ganze Thema Weiblichkeit in mir stark angezweifelt habe. Der Schmerz hat sich angestaut und eine Autoimmunerkrankung ausgelöst, wodurch ich sämtliche Haare verloren habe. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich meine Weiblichkeit sehr stark über diese Lockenmähne definiert und da hat mir mein Körper zu verstehen gegeben, dass ich das für mich hinterfragen muss.

Ich bin dann auf das Buch «Roter Mond» von Miranda Gray gestossen und da habe ich gelernt, dass unser Zyklus aus vier Phasen besteht. Zunächst hatte ich da einfach nur einen grossen Wutmoment. «Das kann doch nicht sein, dass so viele Frauen dieses Wissen nicht vermittelt bekommen.» Das war ein Berufungsmoment für mich, dass ich das in die Welt hinaustragen will.

Seit vier Jahren betrachte ich zyklische Anteile mit in meinem Coaching und verbinde diese gerne mit unternehmerischer Schöpfens- und Schaffenskraft. Es freut mich so sehr, immer mehr kreative, freie Unternehmerinnen aus dem Boden spriessen zu sehen. Dabei handelt es sich nicht nur um Start-ups, sondern auch erfolgreiche und bereits etablierte Businessfrauen. Eine spannende Entwicklung ist, dass Ärztinnen ein grosses Interesse an meiner Arbeit und dem Thema zeigen und wir gemeinsam an einem Umdenken in der Medizin hin zu ganzheitlichen Behandlungsmethoden arbeiten.

Du wirst sicherlich schon oft zu hören bekommen haben, dass Frauen sich nicht in der Lage fühlen, Zyklusorientierung in ihrem Alltag umzusetzen. Wo gibt es denn vielleicht auch auf Seiten von Arbeitgebern Potenzial, ihre Mitarbeiterinnen darin zu unterstützen?

Firmen können die maximale Effizienz herausholen, indem sie damit arbeiten, was die Mitarbeitenden mitbringen. Wenn man MIT und nicht GEGEN die Natur der Mitarbeitenden arbeitet, werden sich auch die Krankheitstage reduzieren. Wer regelmässig seine Bedürfnisse in der Phase 4 übergeht, kann eine mindestens chronische Müdigkeit entwickeln. Der Körper soll besonders während der Blutung zur Ruhe kommen. Dafür können Unternehmen Räume schaffen.

Der sogenannte «Menstrual Leave» finde ich persönlich jedoch schwierig, weil stigmatisierend. Die Idee ist zwar total schön, aber «Health Days», die sich jeder nehmen darf, wären in meinen Augen der bessere Ansatz.

Man muss dabei auch nicht immer mit der Wärmeflasche zuhause im Bett liegen. Ich habe die Vision, dass man in einem Unternehmen gemütliche Ruheräume zur Verfügung stellt, wo dann auch Menschen mit Blutung sich ausruhen, dort aber auch zu Business Development Themen befragt werden können. Diese Weitsicht der Phase 4 kann man nämlich auch ganz wunderbar unternehmerisch nutzen.

Kognitive Arbeiten fallen uns in der Phase 1 besonders leicht. Das Östradiol-High eignet sich hingegen super für wichtige Gespräche, da dort besonders viel Diplomatie am Start ist. Die magische Phase 3 kann man unternehmerisch besonders gut nutzen, wenn es etwas neu zu kreieren gilt, wo Innovation, Produktentwicklung oder Kreativität gefragt sind. Jedem Mitarbeitenden darf es in dieser Zeit aber auch nicht gut gehen, schliesslich sollen sie auch nicht unter Druck gesetzt werden. Die richtige Frage lautet: In welcher Phase befindest du dich gerade UND wie geht es dir dabei?

Ganz wichtig: Wir können in jeder Zyklusphase alles tun. Wenn wir aber wissen, welche zyklischen Anteile aktuell im Hintergrund aktiv sind, können wir gewisse Dinge eben aus der Energie angehen, die gerade dran ist.

Du hast kürzlich bekannt gegeben, dass du einen Buchvertrag unterzeichnet hast und dass dein Werk voraussichtlich im Herbst 2023 erscheint. Darfst du uns dazu schon etwas verraten?

Mein Schreibstimme und ich sind sehr gut befreundet miteinander. Das Buch soll Ende 2023 erscheinen. Thematisch wird es um das gehen, worüber wir gerade gesprochen haben, nur detaillierter. Es wird kleine Einblicke geben und Beispiele aus dem Coaching-Bereich, um diese Zusammenhänge auch nochmals lebendiger nachvollziehen zu können.

Die Vision und Mission meiner Arbeit ist, dass ich die Menschen daran erinnern möchte, dass wir selbst Natur sind und sie bei einem Spaziergang nicht einfach nur besuchen. Wenn wir uns trauen, diese Perspektive einzunehmen und unseren natürlichen Rhythmus priorisieren, können wir und tatsächlich auch der Planet nur profitieren.

Kategorie

News

Publiziert am

26.01.2023

Hashtag

#DieWirtschaftsfrau #DWF #Zyklus #Menstruation #Menstruationszyklus #zyklusorientiert #Arbeit #Leben #Phasen

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