Work-Life-Integration: «Mein Job ist mir wichtig, aber ich bin auch Mami» | Die Wirtschaftsfrau
4-Tage-Woche: Ist das die Zukunft?
Winzerin Noémie Graff: «Die Arbeiten waren zutiefst geschlechtsspezifisch»
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Diana Wick (v.l.n.r.), Klara Zürcher, Sarah Steiner und Julia Cebreros sind die vier Gründerinnen des Coworking Space «Tadah». Quelle: Tadah

Work-Life-Integration: «Mein Job ist mir wichtig, aber ich bin auch Mami»

Ein Coworking Space mit Kinderbetreuung: In Zürich Albisrieden ist das seit 2019 Realität. Mit Klara Zürcher, Co-Gründerin von «Tadah», sprechen wir über das Arbeitsmodell 2.0 und weshalb sich Firmen verändern müssen, um künftig weiterhin qualifizierte Fachkräfte anzusprechen.

Die Work-Life-Balance ist tot – sagen Sarah Steiner, Julia Cebreros, Klara Zürcher und Diana Wick, die vier Gründerinnen von «Tadah», in ihrem kürzlich veröffentlichten Whitepaper «Schweizer Unternehmen und die viel zitierte Vereinbarkeit».

Was 2016 als Online-Magazin für Eltern anfing, hat sich 2019 zum ersten Coworking Space mit Kinderbetreuung in der Schweiz entwickelt. Nun ist die Work-Life-Balance aber nicht einfach passé. Sie wird von der Work-Life-Integration abgelöst. Über die vielen Facetten dieses neuen Ansatzes hat Klara Zürcher mit uns im Interview gesprochen.

Die Wirtschaftsfrau: Ein Coworking Space mit Kinderbetreuung – das ist ziemlich revolutionär.

Klara Zürcher: Verrückterweise schon! Gerade Jüngere können nicht glauben, dass das hier revolutionär ist. Dieser Ort ist aus den eigenen Bedürfnissen und «Pain Points» von uns vier Gründerinnen und Müttern entstanden. Wir haben uns gefragt, ob wir denn die einzigen sind, die unter dieser mangelnden Flexibilität in der Kinderbetreuung leiden. Das Arbeitsmodell 2.0 ist bereits da. Mit der Digitalisierung verschwinden bisher immer dagewesene Grenzen. Aber was ist mit der Kinderbetreuung 2.0?

Es gibt viele Frauen, die bereit wären, ihr Pensum zu erhöhen. Voraussetzung dafür sind aber flexiblere Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Auch für Unternehmen ist es wichtig, das als Business Case zu erkennen. Eine Lösung ist insofern wichtig für sie, wenn sie keine qualifizierten Fachkräfte verlieren möchten.

Und doch gibt es das noch viel zu wenig?

Menschen sind zwar für einen längeren Zeitraum mit einem Sachverhalt unglücklich, akzeptieren ihn aber. In älteren Generationen war «Kita» noch ein komplettes Fremdwort. Bis gesellschaftliche Wandlungen passieren, dauert es eine Weile. Diejenigen in den Führungspositionen gehören heute oftmals noch der Generation der Babyboomer an. Sie haben ganz andere Bedürfnisse und auch Einstellungen gegenüber dem Arbeitsleben.

Der Begriff Workaholic oder traditionelle Rollenbilder waren früher die Norm. In der Generation X hat sich bei den Vätern dann schon öfters ein «Papi-Tag» etabliert. Die Generationen Y und Z haben nochmals ganz andere Prioritäten. Sie sehnen sich nach Integration und einer sinnstiftenden Aufgabe. Geld und Karriere sind nicht alles.

Stichwort «Employer of Choice»?

Genau! Wer gute Mitarbeiter gewinnen will, muss auch mehr bieten. Dabei ist es ganz wichtig, glaubwürdig zu sein und die eigenen Werte auch gegen aussen zu tragen. Eine firmeninterne Kinderbetreuung könnte da ein Weg sein. Aber dass ein kleines KMU dafür keine Ressourcen hat, ist vermutlich für alle völlig verständlich. Man kann schon mit viel kleineren Massnahmen ganz Grosses bewirken.

Zum Beispiel?

Wie reagiert der Vorgesetzte, wenn eine Mitarbeiterin ihre Schwangerschaft verkündet? Sieht man das als Chance, oder wird der Frau das Gefühl gegeben, nun eine Belastung für das Unternehmen zu sein? Oder die Sitzungskultur: Statt um 8 oder 18 Uhr können Meetings auch ausserhalb der Randzeiten gelegt werden, so dass für Eltern kein Zeitkonflikt mit der Kinderbetreuung entsteht.

Was könnte bei solchen firmeninternen Änderungen schief gehen?

Wenn diese Massnahmen in Realität nicht gelebt werden. Deshalb braucht es eine klare Strategie, die auch in einem Regelwerk oder einem Manifest festgehalten wird. Und hier sind beide Seiten gefragt: Arbeitgeber sowie auch Arbeitnehmer. Wenn der Chef zum Beispiel sagt, «Jobsharing ist nicht möglich», dann können sich beide Parteien auf eine allgemeingültige Vereinbarung beziehen.

Ebenfalls wichtig ist, diejenigen Massnahmen anzubieten, die auch gefragt sind. Was sind die Werte des Unternehmens? Wie will es von den Mitarbeitenden und vom Markt wahrgenommen werden und welche Benefits kann es in diesem Rahmen bieten?

Was können Unternehmen tun, wenn Benefits – wie zum Beispiel unlimitierte Ferien – gar nicht genutzt werden?

Man sollte sich die Frage stellen, weshalb das so ist. Haben die Mitarbeitenden gar ein schlechtes Gewissen, wenn sie davon Gebrauch machen, weil sie nicht sehen, dass die Massnahme wirklich in den Werten des Unternehmens verankert ist und andere Mitarbeitende und Führungskräfte sie eben auch einfordern? Hier muss die Führungsetage als Vorbild vorangehen. Werte müssen auf allen Stufen verankert, kommuniziert und vorgelebt werden. Der Wandel wird oftmals unterschätzt. Man muss für die Zukunft gewappnet sein.

Da hat uns Corona sicherlich die eine oder andere Türe geöffnet.

Der Trend wurde durch Covid nochmals deutlich beschleunigt. Für viele Unternehmen wären Homeoffice-Möglichkeiten davor undenkbar gewesen. Und siehe da: Dann ging es plötzlich doch. Themen, die man davor auf die lange Bank geschoben hat, mussten plötzlich angegangen werden.

In eurem Whitepaper kommt ihr zum Schluss, dass die Veränderungen zur Work-Life-Integration vor allem von Firmen aus kommen müssen. Was können wir aber als ArbeitnehmerInnen tun, um unsere berufliche Situation bedürfnisentsprechend zu verbessern?

Man muss für sich selbst einstehen. Forderungen stellen ist nicht einfach und braucht viel Mut, aber aus eigener Erfahrung zahlt sich das oft aus.

Man soll sich nicht für sein Leben entschuldigen. Mein Job ist mir wichtig, aber ja, ich bin auch Mami, habe ein Hobby oder mache eine Ausbildung. Das will ich nicht verstecken! Ich möchte als ganzheitliche Person gesehen und geschätzt werden. Vereinbarkeit ist auch kein Frauenthema – das betrifft uns alle. Bei der Work-Life-Integration geht es genau darum, zu erkennen, dass ein Unternehmen seine Arbeitnehmer nicht einfach nur isoliert als solche betrachten kann. Es besteht ein ganzes Leben um diese Person herum, die sie zu dem macht, was sie ist. Wenn der Arbeitnehmer zusätzlich noch eine Yoga-Ausbildung macht, ändert das auch sein Mindset am Arbeitsplatz.

Wie sieht die ideale Firma für dich aus?

Tadah ist natürlich meine ideale Firma. Wir versuchen, alles Mögliche dafür zu tun, dass unsere Mitarbeiter ihr Privat- und Berufsleben so gestalten können, wie sie möchten. Das ist unser Credo. Im Rahmen des Möglichen können Arbeitstage und Schichten angepasst werden. Zudem können private Termine im Verlaufe des Tages und nicht zu Randzeiten stattfinden – wenn das hilft.

Wir vier Gründerinnen sind alles Frauen in Führungspositionen, die Teilzeit arbeiten. Das bringt natürlich auch Herausforderungen mit sich. In unserem Fall haben beispielsweise einige der potenziellen Investoren gesagt, dass sie sich eine Ansprechperson im Vollzeitpensum wünschen. Dann war es für uns einfach kein Match. Wir leben unsere Philosophie und beweisen, dass es funktioniert.

Kategorie

News

Publiziert am

31.03.2022

Hashtag

#DieWirtschaftsfrau #DWF #Arbeitszeit #Arbeiten #WorkLifeIntegration #WorkLifeBalance #Kinderbetreuung #CoworkingSpace #Flexibilität #EmployerofChoice

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