Mit Jobsharing zu mehr Erfolg | Die Wirtschaftsfrau
SandraLilianaSchmid
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Leben wir in „a Man’s World?“
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Mit Jobsharing zu mehr Erfolg

Sie teilen sich eine Stelle als Account Managerin bei der SAP. Welche Tätigkeiten umfasst Ihr Stellenbeschrieb?

Freudenstein: Wir teilen uns eine generalistische Rolle im Lizenzverkauf bei der SAP. Dabei sind wir erster Ansprechpartner für das gesamte Portfolio. In den unterschiedlichen Verkaufszyklen haben wir entsprechend mit verschiedenen Kollegen und Spezialisten zu tun. Unsere Kunden betreuen wir über verschiedene Themen und längere Zeiträume hinweg.

Müller: Wir sind im Account Management für mittelständische Unternehmen im Bereich Fertigung, Maschinen-bau, Anlagenbau etc. tätig. Die Kunden werden nach Postleitzahlen sortiert, wir teilen uns ein solches Postleitzahlen-Gebiet und betreuen diese Kunden nun im Tandem-Modell zu zweit.

Haben Sie auch eigene Kunden?

Freudenstein: Grundsätzlich betreuen wir unsere Kunden gemeinsam. Es geht beim Jobsharing auch darum, bei nicht planbaren Vorkommnissen ein Backup zu haben, zum Beispiel wenn die Kinder plötzlich krank werden. Allerdings haben wir zwei bis drei grössere Accounts, bei denen einige Themen immer sehr präsent sind. Diese Kunden haben wir strikt untereinander aufgeteilt, da eine gemeinsame Betreuung einen grossen Übergabe-Aufwand mit sich bringen würde. Auch bei unseren anderen Kunden folgen wir einem pragmatischen Ansatz. Wenn eine Anfrage kommt, über-nimmt eine von uns und bleibt für die entsprechende Fragestellung vor-wiegender Ansprechpartner. Trifft dann
vom selben Kunden eine weitere Anfrage ein, kann es sein, dass diese nun von der anderen Person bearbeitet wird. So halten wir den Übergabe Aufwand auf ein Minimum beschränkt.

Zu wie vielen Stellenprozent arbeiten Sie?

Müller: Wir arbeiten beide in einem 70%-Pensum. Als wir letztes Jahr in das Tandem gestartet sind, arbeiteten wir beide 60%, haben dann aber festgestellt, dass es mit allen Geschäftsreisen und Messen doch etwas schwierig wurde, alles unter einen Hut zu bringen. Um die Reisetätigkeit abzufangen, haben wir beschlossen, dass wir beide auf 70% erhöhen.

Wie stellen Sie sicher, dass die Infor-mationen zwischen Ihnen fliessen?

Müller: Britta arbeitet von Montag bis Donnerstag und ich von Dienstag bis Freitag. Wir arbeiten beide von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr, was heisst, dass wir drei gemeinsame Tage im Office haben. Viele Tandems haben einen „Jour fixe“, an welchem sie zusammensitzen und sich gegenseitig updaten. Das wollten wir zu Beginn auch so machen, haben dann jedoch festgestellt, dass das bei uns überflüssig ist, weil wir durch unsere Arbeitssituation bereits so gut abgestimmt sind. Ich muss aber schon zugeben, ohne Whatsapp würde es wahrscheinlich nicht funktionieren, vor allem an Tagen, an denen eine von uns abends länger im Geschäft bleibt, um noch ein dringendes Projekt abzuschliessen.

Die Wissensvermittlung findet dem-zufolge hauptsächlich analog statt, nicht digital?

Müller: Richtig, sehr viel davon geschieht in unserem Fall analog.

Freudenstein: Viele Informationen bekommt man bereits aus dem Augenwinkel oder übers Ohr hinweg mit. Da wir uns gleich gegenübersitzen, hören wir, mit wem die andere telefoniert. Oder aber auch durch die vielen kurzen mündlichen Updates den ganzen Tag hindurch. Zudem haben wir eine gemeinsame E-Mail Adresse und legen die Projekte in geteilten Ordnern ab.

Wer von Ihnen trifft die finale Entscheidung?

Freudenstein: Ich ziehe jeweils gerne den Vergleich zu einer Ehe, in der man Kinder hat. Auch da muss man eine gemeinsame Linie finden, sei es auch nur Kleinigkeiten betreffend, bei denen man eine Entscheidung treffen muss. Erlaube ich noch eine dritte Süssigkeit? Vielleicht hätte ich die dritte nicht mehr erlaubt, Svenja aber schon. Wir kannten uns bereits vor Antritt der Stelle und wussten, dass wir eine ähnliche Arbeitseinstellung an den Tag legen. Bis jetzt waren wir noch in keiner Situation, in der wir keinen Kompromiss gefunden haben. Wir sind Eins und möchten dieses Bild gegen aussen hin auch so vermitteln.

Wie kamen Sie auf die Idee des Jobsharings?

Freudenstein: Es war zu Beginn an klar, dass Svenja nach ihrer Elternzeit wieder in ihr bisheriges Team zurückkehren wird. Ich hatte damit gerechnet, in einem anderen Bereich wieder einzusteigen. Aber dann kam Svenja mit dieser Idee auf mich zu, und ich war sofort begeistert davon. Unsere jetzige Chefin, Gabriele Becker, hat sich dafür starkgemacht, dass wir dieses Modell bei der SAP so umsetzen konnten. Obwohl sie uns da noch gar nicht kannte, hat sie uns diesen Vertrauensvorschuss gewährt.

Müller: Als ich die Elternzeit angetreten habe, äusserte ich den Wunsch, Account Managerin zu bleiben. Mit einem kleinen Kind geht es vielleicht nicht gerade zehn Schritte vorwärts, gleichzeitig wollte ich aber auch keinen Schritt rückwärts machen. Ich wollte weiterhin mindestens so viel Verantwortung tragen wie bisher. Die Idee fürs Jobsharing kam letztendlich jedoch von unsrer Chefin. Sie hat sich dafür eingesetzt, das Tandem-Modell umzusetzen, und die Herausforderungen, die sich uns auf dem Weg stellen, Schritt für Schritt anzugehen.

Wie ist die SAP im Bezug auf Jobsharing organisiert?

Freudenstein: Wir kamen dazumal von unten. Nun haben wir festgestellt, dass bei der SAP eine Entwicklung hin zu mehr Jobsharing auch von oben her angestrebt wird. Im letzten Jahr sind wir zu einem Roundtable von weiteren Tandems bei der SAP gestossen. Jedes dieser Tandems ist einzigartig. Ein tolles Beispiel betrifft zwei Männer. Diese teilen sich eine Führungsposition zu jeweils 50% und sind die anderen 50% in ihrem bisherigen Expertengebiet tätig geblieben. Das verdeutlicht, dass Jobsharing nicht nur auf Frauen in Teilzeit ausgerichtet ist, sondern für die unterschiedlichsten Mitarbeiter in jeder Lebenslage ein interessantes Modell sein kann. So lässt sich beispielsweise zu zweit eine Management-Position erarbeiten.

Müller: Bei einem weiteren Tandem kommt die eine Hälfte aus dem Sales, die andere aus dem Marketing. Dadurch werden zwei unterschiedliche Perspektiven zusammengelegt, was eine Bereicherung für beide Teammitglieder ist. Eine weitere Möglichkeit bietet sich, wenn jemand langsam in Pension gehen möchte. Durch ein Tandem-Modell kann ein älterer Mitarbeiter einen jüngeren anlernen. Sie sehen: Es gibt nicht nur unsere Situation, sondern noch unzählige weitere.

Jobsharing-Partner müssen ja auch zusammenpassen.

Freudenstein: Genau. Es geht beim Jobsharing nicht darum, durch zwei 50% Pensen eine 100%-ige Verfügbarkeit am Tag zu garantieren. Es geht darum, dass zwei Personen, die miteinander harmonieren, gleichzeitig aber verschiedene Hintergründe mitbringen, ihre unterschiedlichen Sichtweisen zusammenbringen und den bestmöglichen Synergie-Effekt erzeugen.

Müller: Mindestvoraussetzung für ein funktionierendes Tandem sind gegen-seitiger Respekt und grundsätzliche Teamfähigkeit. Und natürlich hilft es darüber hinaus, wenn man sich mag.

Was sind die offensichtlichsten Unterschiede zum Standardmodell?

Freudenstein: Ist es wirklich so verschieden? Ein Vorteil ist sicherlich, dass noch jemand zweites mit dabei ist, wodurch unter anderem das Ausfallrisiko viel besser abgedeckt ist. Zudem hilft es in komplexen Situationen, wenn man sich zweier Hirne bedienen kann.

Müller: Ich hatte vor einigen Wochen ein herausforderndes Telefongespräch, zu welchem ich Britta dazu gebeten habe. Dadurch konnte ich die Gesprächsführung übernehmen, wäh-rend Britta sich bereits Gedanken zu einer für den Kunden idealen Lösung machte. Bei solchen Kleinigkeiten im Alltag ist es natürlich toll, wenn man zusammenspannen kann. In unserer spezifischen Situation ist es zudem ein weiterer Bonus, dass Britta genau in der gleichen Lebenssituation ist wie ich. Wenn mich um 12:00 Uhr die Kita anruft, versteht sie, was das heisst. Ein Nachteil aus Sicht des Arbeit-gebers ist natürlich, dass wir beide jetzt in einem 70%-Pensum arbeiten. Das heisst, zusammen ergibt das eine 140%-Stelle. Wir sind wohl etwas teurer als ein einzelner Arbeit-nehmer, und es müssen mehr Sozial-versicherungsabgaben geleistet werden.

Die SAP führt nun Tandemploy ein, um Jobsharing zu fördern. In welcher Richtung sehen Sie die weitere Entwicklung dieses Arbeitsmodells?

Freudenstein: Meiner Ansicht nach handelt es sich dabei um eine Entwicklung im Sinn von „Arbeit flexibler denken“. Es bezieht sich nicht nur auf Frauen in Teilzeit, sondern schliesst auch Männer und Führungspositionen mit ein. Das Modell kann in allen Lebenslagen genutzt und davon profitiert werden. So bietet es zum Beispiel auch eine gute Lösung für Pflegesituationen zu Hause, die es nicht mehr ermöglichen, 100% im bisherigen Job weiterzuarbeiten. Durch Jobsharing kann die bisherige Verantwortung beibehalten werden.

Müller: Viele Arbeitnehmer stimmen sich sehr eng miteinander ab, ohne dass es mit der offiziellen Bezeichnung Jobsharing betitelt wird. Auch wenn es keinen offiziellen Stempel hat, gibt es sicherlich viele solche „unerkannten“ Tandems. Das Thema Jobsharing hat definitiv Potenzial, weiter zu wachsen. Dennoch wird es eher eine Randerscheinung bleiben, für Lebenssituationen und Mitarbeiter, bei denen sich dieses Modell auch tatsächlich anbietet.

Was verhindert die Beschleunigung dieser Entwicklung?

Müller: Zwei Aspekte. Erstens, die Endlichkeit eines einzelnen Tandems. Zweitens, die Frage, ob die Bewegung auch innerhalb eines Unternehmens an Fahrt aufnimmt. Uns war von Anfang an klar, dass diese Situation nicht für
immer bestehen wird. Vielleicht bekommt eine von uns ein tolles Angebot von einem Wettbewerber. Oder mein Mann und ich bekommen doch noch-mals ein Kind. Ein Tandem bei der SAP hat sich aufgelöst, weil der Workload nicht mehr gepasst hat. Ein einzelnes Tandem findet irgendwann ein natürliches Ende. Das bedeutet aber nicht, dass es ein Misserfolg war. Im Gegenteil. Für einen bestimmten Zeitraum war es die perfekte Lösung. Wir schliessen natürlich auch nicht aus, dass wir, wenn es so weit ist, gemeinsam den nächsten Schritt machen.

Freudenstein: Warum die Entwicklung von Jobsharing in einem Unternehmen stockt, liegt vielleicht auch daran, dass ein ganzer Paradigmenwechsel stattfinden muss. Da ist ein komplettes Umdenken erforderlich, weg von der 40-Stunden Woche hin zu einer flexibleren Einteilung der Arbeit.

Wie stehen Sie zu Jobsharing auf Führungsebene?

Freudenstein: Führungspositionen waren bei uns bei der SAP sogar der erste Schritt. Und durch die Einführung von Tandemploy wird das nun für Mitarbeiter auf allen Stufen ausgerollt. Zu Beginn ging es bei der SAP jedoch darum, Jobsharing in Führungspositionen möglich zu machen.

Müller: Genau. Das eine Beispiel mit unseren zwei männlichen Kollegen, die sich eine Management-Position zu je 50% teilen, ist genau so eine Situation, bei der es sich um Co-Leadership handelt.

Jobsharing gibt es ja bereits seit Jahren. Wieso kommt das erst jetzt richtig zum Tragen? Hat das allenfalls mit der Technologie zu tun?

Freudenstein: Die Technologie hilft auf jeden Fall dabei. Durch die digitalen Medien muss die ganze Kommu-nikation nicht mehr analog erfolgen, was Jobsharing-Modelle einfacher zu realisieren macht. Bereits mit einer geteilten E-Mail-Adresse kann man sich gegenseitig einfach auf dem neusten Stand halten.

Und was hat die Unternehmung davon, wenn sie Jobsharing fördert?

Freudenstein: Unternehmen möchten attraktive Arbeitnehmer für sich gewinnen. Protzige Firmenautos werden von der perfekten Work-Life-Balance abgelöst. Gerade flexible Arbeitsmodelle sind vor allem bei jungen Arbeitnehmern heutzutage gefragter denn je. Arbeitnehmer legen weniger Wert auf Status und Lohn, sondern suchen persönliche Erfüllung durch ihre Aufgabe. Durch flexible Arbeitsmodelle wie Jobsharing kommen Unternehmen ihren Arbeitnehmern in diesem Bereich entgegen.

Jobsharing ist sicherlich eine Frage der Unternehmenskultur. Sollte man das auch auf der strategischen Ebene verankern?

Freudenstein: Ja, definitiv. Dazu auch nochmals als Ergänzung zur Frage, was das Unternehmen davon hat. Die Arbeitnehmer sind zufrieden. Zufriedene Mitarbeiter sind gesunde Mitarbeiter. Gesunde Mitarbeiter bringen gute Leistung.

Müller: Allerdings funktioniert Job-sharing nicht für alle Unternehmen und Branchen gleich gut. Wir haben das Glück, in einem Technologiekonzern zu arbeiten. Hier bietet sich diese Modell sehr gut an. Es gibt jedoch auch Unternehmen, die zum Teil völlig andere Voraussetzungen mitbringen und daher weniger geeignet sind.

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Svenja Müller / Britta Freudenstein

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Webseite
sap.com

Firma
SAP

Svenja Müller arbeitet seit sechs Jahren bei der SAP im Vertrieb. Sie hat Germanistik und BWL studiert und verfügt damit über einen geisteswissenschaftlichen und wirtschaftlichen Hintergrund. Svenja Müller hat einen zwei-jährigen Sohn und lebt in Walldorf.

Britta Freudenstein hat eine vier-jährige Tochter und einen zwei-jährigen Sohn. Die 35-jährige Mutter wohnt in Sankt Leon-Rot in der Nähe von Walldorf, nicht weit von ihrem Arbeitsort bei SAP entfernt. Da beide ihren Job behalten und in Teilzeit weiterführen wollten, haben sie bei der SAP Deutschland vor einem Jahr die Möglichkeit erhalten, ihre Stelle als Account Managerin im Doppelpack an-
zugehen.

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